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Jan Kurth
VDM Pressereise/Jan Kurth
VDM Pressereise/Jan Kurth  | 

Herausfordernde Situation in Deutschland

In der vergangenen Woche hat der Verband der Deutschen Möbelindustrie e.V. (VDM) zu einer Pressereise in den Schwarzwald eingeladen, um die Hochwertmöbelhersteller Walter Knoll, Rempp Küchen und Rolf Benz zu besuchen. Anlässlich der Reise gab es von Jan Kurth, Hauptgeschäftsführer des VDM, auch ein Statement zur aktuellen Situation in der Möbelbranche. Zuerst warf Kurth einen Blick zurück auf die Jahre mit der Corona-Pandemie, die ein echter Umsatz-Booster für die Möbelindustrie war – um dann die Brücke zur aktuellen Situation zu schlagen:

„Die Endkonsumenten hatten plötzlich keine Möglichkeiten mehr, nach draußen zu gehen. Die Folge war, dass das Zuhause schön eingerichtet wurde. Das hat sicherlich jeder in irgendeiner Form selbst erlebt: Wir haben uns bewusster umgesehen und Optimierungsbedarf festgestellt. Und dieser Konsum ist zu einem sehr großen Teil bei den Unternehmen in unserer Branche gelandet. Was auf den ersten Blick schön war, auf den zweiten Blick aber auch eine extreme Herausforderung für die Unternehmen darstellte. Denn dieser Nachfrageanstieg war relativ steil und plötzlich, die Unternehmen mussten mit der Produktion, der Mitarbeitersteuerung und vor allem Materialsteuerung auch erst einmal hinterherkommen. In Kombination mit der Lieferketten-Thematik, die zeitlich darauf folgte, ist noch mal zusätzlich, ,Dampf auf den Kessel gekommen‘. Dann die Inflation, die die Lieferketten- und Lieferketten-Engpass-Problematik zudem verstärkte. Das alles führte am Ende zu Preissteigerungen – die die Unternehmen nur bedingt in der Kette weitergeben konnten. Oder zumindest nicht immer zum richtigen Zeitpunkt. Als wäre all das nicht genug, gesellten sich neue geopolitische Herausforderungen hinzu.

Erst der Ukraine- und jetzt noch Gaza-Krieg. Mit dem entsprechenden politischen Umfeld und einer zunehmend angespannten Stimmungslage in der Bevölkerung, befinden wir uns jetzt in einer Phase ausgeprägter Konsumzurückhaltung, durch die wir als Branche zusätzlich durchkommen müssen. Bereits im Jahr 2023 war der deutliche Umsatzrückgang aufgrund stagnierender Neuaufträge sichtbar. Die Umsätze sanken im Gesamtjahr 2023 um 4,3 Prozent gegenüber 2022. Das hört sich im ersten Moment noch nicht drastisch an, betrachtet man allerdings die Daten expliziter im Bereich der Aufträge, so zeigt allein das zweite Halbjahr einen Rückgang um 11 Prozent. Und steht damit symptomatisch für die Branchenentwicklung. Es spiegelt viel besser als das Gesamtergebnis, was momentan in der Branche passiert. Denn es zeigt den Kurs der Stückzahlen auf, der über alle Segmente zurückging. Wie es weitergeht, lässt sich auch jetzt aus den Auftragseingängen ablesen, die wir zeitnah bei den Unternehmen erfassen, sowohl in Küche, als auch im Polster- und Wohnmöbelbereich.

All dies ist das Spiegelbild der eben angesprochenen Konsumzurückhaltung bei den Verbrauchern. Es hat mit Inflation und mit allgemeiner Kaufzurückhaltung zu tun, mit der Frage „wann gebe ich mein Geld aus“. Denn Geld ist da, die Sparvermögen steigen momentan. Für was und vor allem wann geben die Verbraucher ihr Geld aus? Und da scheinen sie sich beim Thema Möbel zurückzuhalten. Weil bei Möbeln zeitlich flexibler agiert werden kann, sie lassen sich in den allermeisten Fällen einfach länger nutzen.

Was meist immer mit einer Neuanschaffung von Möbeln verbunden ist, ist das Thema Bauen. Wenn neu gebaut wird, ist immer ein Impuls dafür da, neue Möbel anzuschaffen. Vor allem der Sektor Küche hängt sehr stark damit zusammen. Aber auch die anderen Segmente kommen beim Neubau, beim Erstbezug und den dahinter liegenden Umzügen stark zum Tragen. Deswegen fällt uns momentan dieser Rückgang in der Baukonjunktur auf die Füße. Dieser Rückgang bei Baugenehmigungen und mittlerweile auch Baufertigstellungen, die vorherrschen und vermutlich in 2024 auch bleiben. Das sind Aussichten, die nicht ganz so rosig sind. Das Umfeld für einen guten Möbelabsatz ist derzeit wenig ideal.

Deswegen betonen wir immer wieder, dass möglichst schnell politisch etwas passieren muss. Es müssen Impulse für die Bauwirtschaft gesetzt werden. Wir können uns natürlich nicht komplett auf die Politik verlassen. Aber zumindest wäre es wichtig, ein paar deutliche Impulse zu geben. Indem beispielsweise am Rädchen Grunderwerbsteuer gedreht wird. Und es KfW Mittel für Projekte gibt, die schon genehmigt, aber nicht fertiggestellt sind. Das Bauumfeld zu stabilisieren und wieder voranzubringen würde und in der Möbelindustrie helfen.

Positiv ist, dass anscheinend das Thema Inflation den Scheitelpunkt überschritten hat und wir uns aktuell mit einer Inflationsrate von 2,5 Prozent wieder in einem Maß bewegen, das in Richtung Inflation der Europäischen Zentralbank. Und bei Endverbrauchern die Message ankommt, dass die Zeit der starken Preissteigerungen hinter uns liegt, wir uns auf ein neues, aber einigermaßen stabiles Preisniveau einstellen können.

Was erwarten unsere Unternehmen für das Jahr 2024? Wir haben gerade eine aktuelle Umfrage unter den Unternehmen in der gesamten Branche, also nicht nur Polster und Küche, sondern allen, durchgeführt. Gesamtbranche heißt bei uns in Deutschland übrigens rund 450 Unternehmen mit einem Umsatz von 18 Milliarden Euro. Damit sind wir die größte Möbelnation in Europa und die drittgrößte in der Welt. Und eine gewaltige Stimme in Deutschland, wenn auch oft neben der Automobilindustrie und dem Chemiesektor nicht ganz so auf dem Radar vieler.

Also – wo entwickelt sich die Branche hin? Oder was erwarten die Unternehmen für das Jahr 2024? Die Aussichten bezüglich des Endkonsumentenkonsums sind verhalten. Deswegen spielt das Thema Kurzarbeit momentan in der Branche eine große Rolle. 45 Prozent der Unternehmen nutzen aktuell das Instrument der Kurzarbeit. Was nicht heißt, dass das Unternehmen komplett runtergefahren ist. Aber es wird immer mal wieder ein Tag, ein halber Tag, eine Schicht herausgenommen. Eventuell auch nur alle zwei Wochen. Für das zweite Quartal 2024 planen 52 Prozent mit dem Instrument der Kurzarbeit. Wir hoffen derzeit, dass es bei dem Thema Kurzarbeit bleibt und die Unternehmen ihr Fachpersonal halten können. Wenn die Krise länger andauern sollte, dann wird irgendwann nach Kurzarbeit wahrscheinlich auch das Thema Personalanpassungen eine Rolle spielen. Aber da sind wir momentan als Branche glücklicherweise noch nicht, wir können die momentane Situation noch abfedern. Wie sind die Aussichten bezüglich der Geschäftsentwicklung für 2024? Auch das haben wir abgefragt. Die erwarteten Mengenentwicklungen bleiben leicht hinter dem Jahr 2023 zurück. Wie bereits erwähnt, war es im Vorjahr stark rückläufig. In dieser Form sollte es nicht weitergehen. Die Mengen werden sich möglichweise noch etwas reduzieren, dank eines Zweitrundeneffektes mit Preiserhöhungen gehen wir von einer Seitwärtsbewegung beim Umsatz aus. Sicherlich eine optimistische Sichtweise, aber wir glauben aufgrund einiger Indikatoren daran, dass es sich auf dem aktuellen Niveau stabilisiert im restlichen Jahr. Wenn beispielsweise im zweiten Halbjahr eine Zinswende eingeleitet wird, was für Impulse in Richtung Endverbraucher sorgen könnte.

Wir haben unsere Mitgliedsunternehmen auch gefragt, welche Instrumente helfen könnten, die Negativspirale der letzten Zeit zu verlangsamen oder zu beenden. Ganz oben auf der Wunschliste steht bei den Unternehmen das Thema politische Verlässlichkeit. Die Schaffung von neuen Rahmenbedingungen. Ein gutes Beispiel, wie es nicht funktioniert, ist das Heizungsgesetz. Die Verbraucher hassen so etwas wie die Pest – und Unternehmen auch. Weil es keine 100-prozentige Klarheit schafft und am Ende für Verunsicherung und Kaufzurückhaltung sorgt. Der Endverbraucher hält sein Geld zusammen, weil es nicht klar sagen kann, was in Sachen Heizung eventuell auf ihn zukommt.

Zweiter Punkt auf der Wunschliste ist die Ankurbelung der Baukonjunktur. Und dann Themen, die wir in der Branche ebenfalls intensiv diskutieren. Das Thema Lieferkette bzw. Lieferkettengesetz. Wir haben ein Branchenkonzept für die Unternehmen erarbeitet, auf Basis der Anforderungen auf deutscher Ebene. Auf europäischer Ebene ist das Lieferkettengesetz momentan gestoppt, es wird aber meiner Ansicht nach in irgendeiner Form auch europäisch kommen. Wichtig ist, dass es mittelstandstauglich umgesetzt werden kann. Dafür haben wir eine Art Handlungsleitfaden geschrieben. Wir haben Märkte und Produktgruppen analysiert. Geben ein Raster vor, damit nicht jedes Unternehmen bei Null anfangen muss. Weil wir glauben, dass es ein wichtiges Thema ist, auch wenn es bürokratischen Aufwand erfordert. Verbraucher:Innen wollen vermehrt wissen, wie die Lieferketten organisiert sind, woher die Ware kommt.

Dann haben wir das Thema Nachhaltigkeit als mittelfristig wichtiges Thema in der Branche. Gerade auf europäischer Ebene sehen wir sehr viel Bewegung bei Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit, darum engagieren wir uns auch hier. Es gibt eine Ökodesignverordnung auf europäischer Ebene. Und die Möbelbranche ist als eine der Zielbranchen aufgerufen, frühzeitig konkrete Produktanforderungen zu entwickeln. Hier geht uns darum, wie kreislauffähige Produkte konzipiert und produziert, wie sie in den Markt gebracht und möglicherweise nach dem Lebenszyklus auch wieder zurückgenommen werden. Also die Trennbarkeit, die Rückführung und Wiederverwertung von Materialien, aber auch Reparierbarkeit von Produkten wird eine Rolle spielen. Wir beschäftigen uns als Verband damit, Verbraucher:Innen beschäftigen sich damit und für die Unternehmen bedeutet es neue Herausforderungen.

Auch das Thema Export treibt uns um, ein Feld, auf dem viele Unternehmen Chancen haben. Wir wissen, dass der deutsche Markt momentan seine Herausforderung und Schwierigkeiten hat. Und gerade deswegen ist der Export wichtig. Wir haben ein paar Zielländer eruiert, in denen die deutsche Möbelindustrie noch nicht so stark vertreten ist, wo wir aber einiges an Wachstumspotenzial sehen. Beispielsweise in den USA. Großbritannien ist auch ein Markt mit großer Relevanz. Middle East Event bietet Marktchancen und für den ein oder anderen natürlich auch China. Bei einer Exportquote in der Branche von aktuell im Schnitt etwa 30 Prozent ist noch Luft nach oben.“

Jan Kurth (VDM/VHK) VDM