„Ich werde Homag wieder mittelständischer führen“ – Schlanker, schneller und mehr Verantwortung in die Breite
Seit Januar führt Dürr-CEO Ralf W. Dieter als Vorstandsvorsitzender operativ auch die Homag Group. Erste Eckpfeiler sind gesetzt: Er hat klarere Strukturen geschaffen und beispielsweise Komplexität im Vertrieb reduziert. Zudem treibt Ralf W. Dieter die Digitalisierung des Unternehmens voran. Seine Erfahrung als Beirats-Vorsitzender der IIoT-Plattform „Adamos“ dürfte der Homag Group dabei zu Gute kommen...
möbelfertigung: Herr
Dieter, Sie waren bis 31. Dezember 2020 Aufsichtsrats-Chef der Homag Group.
Bereits seit 2006 sind Sie Vorstandsvorsitzender der Dürr AG. Was hat Sie
gereizt, jetzt zusätzlich auch den Vorstandsvorsitz der Homag Group und damit
operativ die Verantwortung für weitere knapp 7.000 Mitarbeiter weltweit zu
übernehmen?
Ralf W. Dieter: Homag hat mich schon immer begeistert. Auch deshalb habe
ich den Kauf der Homag 2014 forciert. Bei Dürr gibt es drei Teilkonzerne: Dürr
Systems, Schenck und Homag. Ich war lange Jahre als quasi oberster Vertriebler
auf der Automobilseite unterwegs. Das hat nun mein Kollege und Stellvertreter
Dr. Jochen Weyrauch übernommen. Nach dem Ausscheiden von Pekka Paasivaara als
Homag-CEO bot sich dann diese Gelegenheit, den Vorstandsvorsitz der Homag
selbst zu übernehmen. Weil es mir wichtig ist, dort Akzente zu setzen, die das
Unternehmen noch besser machen, habe ich die Chance wahrgenommen.
möbelfertigung: Auf
welchen Führungsstil dürfen sich die Homag-Mitarbeiter jetzt einstellen?
Ralf W. Dieter: Ich will Homag wieder mittelständischer führen und
schneller machen. Bei Dürr leben wir einen kooperativen Führungsstil mit
schnellen Entscheidungen. In diesen Punkten kann und muss die Homag Group
besser werden. Denn sie ist aktuell etwas zu „konzernig“ und überstrukturiert,
was auch die Kunden kritisiert haben.
Im Vertrieb konnte ich bereits einige Restriktionen und Abstimmungsprozesse
abschaffen und Entscheidungswege vereinfachen, um schneller, agiler und
flexibler zu sein. Das war tatsächlich mein erstes Thema und die Mitarbeiter haben
die Änderungen hochmotiviert mitgetragen.
möbelfertigung: Die
ersten wichtigen Akzente haben Sie also bereits gesetzt...
Ralf W. Dieter: Ja, schlanker, schneller, Komplexität reduzieren, mehr
Verantwortung in die Breite und insbesondere klarere Strukturen. Zudem wollen
wir für unsere Kunden transparenter werden.
Es gibt jetzt ein Homag Management Board, in dem jedes Mitglied finale
Entscheidungskompetenz für seinen Verantwortungsbereich hat. Das war vorher
nicht so.
möbelfertigung:
Werden die einzelnen Länder-Niederlassungen wieder eigenständiger agieren?
Ralf W. Dieter: Die Vertriebsgesellschaften haben jetzt in der Tat mehr
Entscheidungsfreiheit. Die geht allerdings auch einher mit mehr Verantwortung.
Wir vertrauen den Mitarbeitern, dass sie ihren Markt kennen und bearbeiten
können.
Auf der anderen Seite haben wir große Werke in der Welt, die über die Business
Units mit abgestimmt werden. Dort soll es keine elementaren Änderungen geben,
weil die Produktionen im Sinne einer globalen Wertschöpfung sehr eng
miteinander verzahnt sind.
Grundsätzlich gilt bei Dürr: Der Mitarbeiter ist Unternehmer im Unternehmen.
Diesen Gedanken wollen wir bei Homag stärken.
möbelfertigung: Wie
ist Ihr Blick auf die Möbelbranche?
Ralf W. Dieter: Die Branche gliedert sich in die großen industriellen
Hersteller und die enorme Breite an handwerklichen Betrieben. Beide sind für
uns extrem wichtig. Einige Key-Kunden habe ich bereits getroffen, und unser
Jahr ist in beiden Bereichen gut angelaufen.
Die Arbeit in der Möbelbranche macht Spaß, weil die Kunden sehr kompetent sind
und genau wissen, was sie wollen und brauchen. Wenn diese Kunden auf unsere
ebenso kompetenten Mitarbeiter treffen, ergeben sich spannende Gespräche.
möbelfertigung:
Welche besonderen Stärken sehen Sie bei der Homag Group? Welche wollen Sie
ausbauen?
Ralf W. Dieter: Bei Dürr haben wir enorme Anstrengungen in das Thema
Nachhaltigkeit gesteckt, beispielsweise bei Lackieranlagen. Viele wissen
nicht, dass ungefähr 70 Prozent der Energie in der Automobil-Produktion von der
Lackierung verbraucht wird. Diesen Anteil konnte Dürr erheblich senken.
Homag verkörpert Nachhaltigkeit und passt auch deshalb sehr gut zu Dürr. Das
Thema spielt in vielen Geschäftsbereichen eine zentrale Rolle, vor allem
natürlich im Holzhausbau.
Zudem hat Homag unglaublich kompetente Mitarbeiter mit extrem viel
Branchen-Know-how, die von ihren Produkten begeistert sind. Wir haben einen
tollen Service, den wir noch weiter ausbauen wollen. Schließlich entscheidet
sich dort die langfristige Kundenbindung. In Sachen Digitalisierung sind wir
ganz vorne dabei. Auch im Systemgeschäft, wenn es um das Ausstatten von
kompletten Fabriken geht, ist Homag sehr stark. Aber wir können noch besser
werden.
möbelfertigung: Gibt
es Ansätze aus den anderen Geschäftsbereichen, die sich auf Homag übertragen
lassen?
Ralf W. Dieter: In den letzten Wochen hat sich ein regerer Austausch
etabliert. In Sachen Digitalisierung und System-Projektmanagement kann Homag
noch von Dürr profitieren. Im Einkauf arbeiten wir enger zusammen. In Sachen
IT-Infrastruktur können die Geschäftsbereiche voneinander lernen, weil viel
Know-how mit verschiedenen Schwerpunkten vorhanden ist. Der ganze Konzern rückt
näher zusammen.
möbelfertigung: China
war und ist ein Wachstumsmarkt. Homag hat die Vertriebsgesellschaft dort selbst
übernommen. Wie weit sind Sie? Was verändert sich dadurch?
Ralf W. Dieter: Im Vertrieb haben wir nicht viel geändert, weil es nicht
viel zu verbessern gibt. Das Augenmerk liegt eher auf den administrativen und
kaufmännischen Themen. Finanzbuchhaltung, IT-Prozesse etc. Wir haben einen
langjährigen Schenck-Präsidenten, Peter Legner, in China, der dort auch für
Homag Co-CEO wird. Er verfügt über viel lokale Markterfahrung und spricht
Chinesisch. Davon versprechen wir uns eine Menge.
möbelfertigung: Wie
schätzen Sie die Perspektiven für die USA ein?
Ralf W. Dieter: Wir sind erst mal froh, dass wir dort mit Stiles direkt vor
Ort sind. Am Ende haben die Amerikaner ja den gleichen Effekt wie wir, was das
Arbeiten von Zuhause – und damit Investitionen in neue Möbel für die eigenen
vier Wände – angeht.
Im vergangenen Jahr gab es eine Delle bei den großen Projekten. Dort wird sich
in diesem Jahr wieder einiges verbessern.
Und ansonsten hoffen wir natürlich nach der Wahl von Joe Biden auf etwas mehr
Stabilität und eine bessere Geschäfts-Atmosphäre.
möbelfertigung: Ein
großes Thema der vergangenen Monate waren Schwächen in den globalen
Lieferketten. Sehen Sie Märkte, in denen Homag präsenter sein muss, um diese
Probleme zu umgehen?
Ralf W. Dieter: Ich glaube, wir sind schon ganz gut aufgestellt und froh,
auch an mehreren Standorten im Ausland zu produzieren.
Insgesamt war Homag von dem Lieferkettenproblem aber während der ganzen Zeit
nicht nennenswert betroffen.
Trotzdem glauben wir, dass Lieferketten wieder etwas regionaler werden. Bei
Dürr Systems ist es auch jetzt schon so, dass eigentlich alles in den
entsprechenden Märkten vor Ort produziert wird. Mit Homag sind wir bereits auf
einem guten Weg, haben aber auch Potenzial, noch mehr zu lokalisieren. Daran
arbeiten wir.
möbelfertigung: Wie
stehen Sie zum Lieferkettengesetz?
Ralf W. Dieter: Unternehmen brauchen saubere Lieferketten und müssen
ethische Standards beachten – Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Das ist
ein wesentlicher Bestandteil von Nachhaltigkeit. Zugleich bin ich als Volkswirt
der Meinung, dass man nicht überregulieren soll und den administrativen Aufwand
in angemessenem Rahmen halt muss. Da hat das Gesetz Schwächen, das hat auch der
VDMA klargemacht.
Wohin Überregulierung führt, zeigt die Datenschutzgrundverordnung, die vielen
Unternehmen Probleme gemacht hat. Unsere Dürr-Unternehmen untereinander mussten
intern Tausende Verträge mit sich selbst abschließen, um alle Regularien zu
erfüllen.
Teil 2 des großen Interviews mit Homag- & Dürr-CEO Ralf W. Dieter lesen Sie morgen um 10.00 Uhr. Unter anderem Thema: Die IIoT-Plattform „Adamos“, Bauen mit Holz, Service sowie die Wachstumsziele bezogen auf Marktanteil und EBIT.
Das gesamte Interview
folgt dann in der gedruckten Ausgabe, „möbelfertigung 3/2021“, die am 28. April
erscheint.