Branchenstimmen, Zahlen und rechtliche Aspekte zum Thema Lieferkette
Seit geraumer Zeit bremsen Materialengpässe die deutsche Industrie. Die „möbelfertigung“ beschäftigt sich in der kommenden Ausgabe tiefgehend mit diesem Thema. So wurden diverse Unternehmen befragt und auch Daten des Statistischen Bundesamtes ausgewertet. Darüber hinaus äußert sich der Jurist Dr. Lars Maritzen in einer neuen Kolumne zu rechtlichen Aspekten des Themas.
Im November 2021 gaben laut Statistischem Bundesamt fast 75 Prozent der einbezogenen Industrieunternehmen an, von Produktionsbehinderungen durch Knappheit bei Rohstoffen und Vormaterialien betroffen zu sein. Besonders trifft das die Hersteller von Bekleidung und die Automobilindustrie, hier berichten über 88 Prozent der befragten Unternehmen von Materialknappheit. Ähnlich viele Hersteller aus dem Maschinenbau und der Produktion von elektrischen Ausrüstungen sind mit Knappheit bei Vorleistungsgütern konfrontiert.
Dass sich dies auf die Möbelindustrie übertragen lässt, zeigt eine Umfrage der „möbelfertigung“. „Ballerina-Küchen hat sehr frühzeitig die Lagerbestände extrem erhöht, umso entstehende Engpässe ausgleichen zu können. Leider gibt es dennoch häufig Lieferprobleme bei der Anlieferung von Tagesatzwaren, die unsere Fertigungsprozesse stören“, erläutert Heidrun Brinkmeier, Geschäftführung Marketing/Vertrieb von Ballerina Küchen. „Ebenso leiden wir sehr stark unter den Lieferverzögerungen der Produktionsmaschinen, da dadurch unser Kapazitätsausbau verzögert wird.“ Ähnlich äußert sich André Dorner, Geschäftsführer von Blum Deutschland: „Die Rohstoffknappheit hat uns das ganze letzte Jahr vor besondere Herausforderung gestellt. Auch in der zweiten Jahreshälfte hat sich die Verfügbarkeit, wie erwartet, nicht verbessert und betrifft neben Stahl und Kunststoff auch zahlreiche andere Materialien, wie etwa Elektronikbauteile. Blum konnte sich durch Vorplanung und Flexibilität bei der Beschaffung die Liefersicherheit ein den Umständen entsprechend hohes Niveau bewahren.“ Ähnlich sieht es bei den Holzwerkstoffspezialisten aus: „Aktuell ist keine Entspannung absehbar“, so Ulrich Bühler, Gruppenleitung Vertrieb/Marketing bei Egger. „Betroffen sind insbesondere die Chemierohstoffe, die für die Holzwerkstoff-, Kanten- und Oberflächenproduktion benötigt werden. Erschwerend hinzu kommen die massiv steigenden Energie- sowie Transportkosten sowie die stark reduzierten Transportkapazitäten und die international verschobenen Handelsströme.“
Neben Ballerina, Blum und Egger äußern sich in der Umfrage der „möbelfertigung“ auch die Unternehmen Kesseböhmer, Schattdecor, Palmberg, Rauch, Continental, Homag, Hunger, Himolla und Pronorm.
Nachvollziehbar ist, dass eine derart angespannte Situation auch rechtliche Fragen aufwirft. „In den letzten Monaten hatte ich viele Beratungsanfragen rund um den Umgang mit nicht eingehaltenen – vertraglich zugesicherten – Lieferzeiten, mit der Geltendmachung von Verzugsschäden oder der Frage, ob man sich auf force majeure berufen kann“, so der Jurist Dr. Lars Maritzen. „Was aber praktisch operativ tun, wenn man als Lieferant nicht alle seine Abnehmer zeitgleich bedienen kann und daher wohl möglich vertragsbrüchig wird? Dem Lieferanten steht es grundsätzlich frei in einer Situation, in der er nicht alle vertraglichen Verpflichtungen vollständig erfüllen kann, zu entscheiden, welche vertragliche Verpflichtung er in welchem Umfang erfüllt. Dieser Grundsatz wird allerdings von der Rechtsprechung über die sogenannten Repartierungspflicht eingeschränkt. Diese Figur wurde aus dem Gedanken von Treu und Glauben für die Fälle entwickelt, in denen die vorhandene Warenmenge nicht mehr ausreicht, um alle Abnehmer entsprechend zu beliefern. Gegenstand der Repartierungspflicht ist, dass in einer solchen Situation nicht ein Abnehmer alles und der andere nichts erhält, sondern im Grundsatz die Verpflichtung des Lieferanten besteht, alle Gläubiger anteilig zu beliefern. Zum identischen Ergebnis gelangt man auch unter Heranziehung kartellrechtlicher Grundsätze.“
In seiner Kolumne in der „möbelfertigung 1/2022“, die am 9. Februar erscheint, führt Dr. Lars Maritzen das Thema noch tiegehender aus.
Weitere spannende Themen der Ausgabe: Wo aus Sicht von Leicht Küchen CEO Stefan Waldenmaier die größten Herausdforderungen beim Thema Losgröße 1 liegen, welche Trends die Unternehmen Salice, Surteco und SCM für ihre Segmente im Jahr 2022 und darüber hinaus sehen, wie Elrond reibungslos bei Likora den kompletten Maschinenpark ausgetauscht hat, was die Fusion von 2020 und Compusoft bedeutet, wie Wandelbots die Robotik demokratisieren will, auf welche Weise Pfleiderer CEO Dr. Boris Gorella die Umsätze des Holzwerkstoffspezialisten pushen will und vieles mehr.
„möbelfertigung“: Supply Chain unter der Lupe
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