Dienstag, 09.02.2021, 17:30 Uhr
Koelnmesse
Umsatz sinkt 2020 von 413 auf 95 Mio. Euro – 54 von 70 geplanten Messen mussten abgesagt werden
„Wir bleiben auf
Betriebstemperatur“, sagt Gerald Böse, Vorsitzender der Geschäftsführung der
Koelnmesse. „Unsere Branchen wollen schnellstmöglich zurück zur persönlichen
Begegnung. Trotz vieler Chancen der digitalen Formate freuen wir uns darauf,
die neuen Möglichkeiten der digitalen Messewelt auch wieder mit physischen
Treffen zu verbinden. Mit unserer ersten Messe in 2021 wollen wir auch in
unseren Hallen wieder Vollgas geben. Darauf haben wir uns in den
zurückliegenden Monaten der Pandemie sehr gut vorbereitet.“
Bisher tragen die finanziellen Reserven aus der guten
wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre, Kurzarbeit und eine aktuell
strikte Sparpolitik das Unternehmen ohne größeren Personalabbau durch die
Krise, die dennoch, wie in der gesamten Messewirtschaft, deutliche Spuren in
der Bilanz hinterlässt. Seit März 2020 hat auf dem Kölner Gelände keine eigene
Veranstaltung mehr stattgefunden. 54 von 70 geplanten Messen im In- und Ausland
wurden 2020 abgesagt oder – zum Teil mehrfach – verschoben.
Finanzgeschäftsführer Herbert Marner beziffert den Umsatz im
Jahr 2020 auf rund 95 Mio. Euro, den Verlust auf voraussichtlich etwa 115 Mio.
Euro. Dass zuvor nach mehrjährigem Wachstum 2019 noch ein Rekordumsatz in Höhe
von 413 Mio. Euro und ein Gewinn nach Steuern von über 30 Mio. Euro zu
verzeichnen war, hilft dem Unternehmen heute sehr: „Unser überdurchschnittlich
hohes Eigenkapital von mehr als 250 Mio. Euro wurde bis zum Jahresende zwar
fast zur Hälfte aufgebraucht, reicht aber aus, um auch die bisher bekannten und
eventuell weitere Ausfälle in 2021 zu tragen. Dies gilt bis auf Weiteres auch
für die Liquidität, die wir erst in der zweiten Jahreshälfte gegebenenfalls
durch neue Darlehen stärken müssten. Zudem wollen wir aber – anders als vor der
Krise geplant – zur Sicherung unserer zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit einen
Teil unseres Innovations- und Investitionsprogramms Koelnmesse 3.0 durch eine
zusätzliche zweckgebundene Eigenkapitalerhöhung von 120 Mio. Euro finanzieren.
Dazu sind wir mit unseren Gesellschaftern aktuell im Gespräch.“
Rund 7.000 Aussteller und mehr als 400.000 Besucher haben
nach den Worten von Messegeschäftsführer Oliver Frese, seit Anfang 2020 als
Chief Operating Officer im Amt, an den physischen Koelnmesse-Veranstaltungen im
Jahr 2020 teilgenommen. In Deutschland fanden fünf eigene Messen im physischen,
vier im digitalen Format statt. Sieben waren es im Ausland, darunter die „Interzum
Guangzhou“ und die „Thaifex – Anuga Asia“ in Bangkok, die beide ihren
erfolgreichen Re-Start mit gutem geschäftlichem Verlauf bereits erlebt haben. Darüber
hinaus gab es in Köln vier Gastmessen sowie Kongresse außerhalb der
Messeveranstaltungen mit etwa 100.000 Teilnehmern.
Hinzu kamen rein digitale Veranstaltungen im In- und
Ausland, darunter die „Gamescom“ und die „DMexco@home“. „Sie haben bewiesen“,
so Frese, „dass sowohl Publikum-Events als auch primär geschäftliche
Begegnungen im Netz Erfolgspotenzial haben.“ Die beiden Veranstaltungen wurden
im Sommer in wenigen Wochen auf einer neu geschaffenen digitalen Plattform auf
die Beine gestellt. „Eines melden unsere Kunden uns aber sehr deutlich zurück“,
so Frese weiter: „Digitale Lösungen führen nicht allein zum Erfolg. Inzwischen
haben wir unsere digitalen Geschäftsmodelle verfeinert, um sie in den kommenden
Jahren in hybriden Formaten gewinnbringend für unsere Kunden einzusetzen.
Messen der Zukunft werden aus hochkarätigen physischen Kern-Events am Standort
bestehen, die von einer bis dahin nicht erreichten weltweiten digitalen
Reichweite begleitet werden. Sobald die Pandemie uns lässt, wollen wir das in
der Praxis unter Beweis stellen.“
Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im
Koelnmesse-Konzern lag 2020 im Jahresdurchschnitt weltweit bei 934. Dazu zählen
neben der Koelnmesse GmbH 13 Tochtergesellschaften im Ausland und in Köln die
neue Koelncongress GmbH, die 2020 aus der früheren Koelnmesse Ausstellungen
GmbH und der KölnKongress GmbH verschmolzen wurde. Bereits im März 2020 hat die
Koelnmesse mit einem Einstellungsstopp auf die ungewisse Lage reagiert. „Es
bleibt aber“, so Gerald Böse, „unser erklärtes Ziel, mit unserer hochkarätigen
Mannschaft die Krise möglichst komplett zu überstehen. Denn wir brauchen das
Team. Unsere volle Aufmerksamkeit gehört den Herausforderungen, vor die die
Veränderungen des Messegeschäfts uns stellen. Dank frühzeitiger Ausstattung der
gesamten Belegschaft mit exzellenter mobiler Technik waren wir von Anfang an
mobil und konnten unsere Arbeit kreativ und kooperativ fortsetzen.“
Zukünftige hybride Formate werden auch neue Anforderungen an
die räumliche Struktur des Geländes stellen. „Wir haben aufgrund der
Auswirkungen der Pandemie unsere Investitionen repriorisiert und teilweise
verschoben. Unsere Gesellschafter stützen aber unser Vorhaben, die nächsten
wichtigen Schritte unseres ambitionierten Programms Koelnmesse 3.0 – wenn auch
zeitverzögert – umzusetzen“, berichtet Böse. „Die Modernisierung und Sanierung
einiger bestehender Hallen wurde fortgesetzt. Die neue Halle 1 am Auenweg ist
fertiggestellt, die Planungen für unsere Messe-, Kongress- und Eventlocation ,Confex‘
laufen weiter. Es wird eine Blaupause sein für Messen in der Post-Corona-Zeit
und uns mit seiner Flexibilität und universellen Einsetzbarkeit in Zukunft
Wettbewerbsvorteile bieten.“
Auf die Aussteller und Besucher wartet nach dem
Messe-Re-Start – auch aufgrund zahlreicher Verschiebungen – ein gut gefüllter
Terminkalender. Den sicher noch andauernden Einschränkungen durch die Pandemie
begegnet die Koelnmesse mit einem 2020 entwickelten Sicherheitskonzept. Mehrere
Wochen lang war in der Kölner Messehalle 9 das „B-SAFE 4business“-Village
aufgebaut, in dem sich Aussteller, Besucher und Vertreter der Messewirtschaft
von der Wirksamkeit umfassender Schutzmaßnahmen und der Machbarkeit von Messen
unter Corona-Bedingungen überzeugt haben. In Köln stehen (Stand Mitte Februar
2021) bis zum Jahresende 14 eigene Messen und 20 Gastveranstaltungen, im
Ausland 16 Veranstaltungen auf der Agenda. Ein Highlight im internationalen
Geschäft ist zudem die in den kommenden Herbst verschobene „Expo“ 2020 in
Dubai, wo die Koelnmesse einmal mehr die Organisation und den Betrieb des
deutschen Pavillons verantwortet. Seit Februar läuft auf dem Kölner Messegelände
der Betrieb eines der größten deutschen Impfzentren, das die Koelnmesse als
Full-Service-Anbieter von der Planung über die Konzeption bis zur Umsetzung
komplett organisiert hat.
Die finanzwirtschaftliche Prognose für 2021 bleibt
schwierig. Herbert Marner: „Wir werden sicher weitere signifikante
Umsatzeinbußen hinnehmen müssen und je nach Dauer der Krise auch in 2021 wieder
hohe Verluste schreiben. Unsere Szenarien richten sich nach dem Zeitpunkt des
Re-Starts und der Geschwindigkeit, mit der die Messen zu neuer Normalität
finden können.“ Die Koelnmesse will nach der Corona-Pandemie schnellstmöglich
an ihr nachhaltiges Wachstum anknüpfen. Nach Überwindung der weltweiten Krise
plant sie – eine wieder stabile Entwicklung der Weltwirtschaft vorausgesetzt –
ab 2023 die Rückkehr zum früheren Ergebnis- und Umsatzniveau.