Umsätze der Möbelindustrie steigen wieder
Auch in der deutschen Möbelindustrie hat die Corona-Pandemie Spuren hinterlassen. Doch bleiben die Einbußen für die Branche im Gesamtjahr laut VDM wohl überschaubar. Nach einem drastischen Umsatzeinbruch infolge des Lockdowns konnte der Negativtrend mit Beginn des Monats Juni gestoppt werden.
„Die aktuell vorhandenen Anzeichen für eine Erholung in der Möbelindustrie lassen sich auf drei Aspekte zurückführen: Über die Zeit des Lockdowns und der Handelsschließungen hat sich ein Nachholbedarf in den Haushalten aufgebaut, der schon sichtbar wurde, als sich die Sperrmüllmengen türmten“, erläutert VDM-Geschäftsführer Jan Kurth. „Eine Rolle spielt dabei, dass das Thema Wohnen aus Sicht der Verbraucher einen höheren Stellenwert bekommen hat. Die eigenen vier Wände werden in unruhigen Zeiten als sicherer Rückzugsort mehr geschätzt denn je. Die Menschen schichten ihre Ausgaben zugunsten von Möbeln und zulasten von Urlauben und anderen Freizeitaktivitäten um. Für positive Impulse sorgt zudem die befristete Absenkung der Mehrwertsteuer. Die Steuerersparnis gibt vielfach den Anstoß, geplante Möbelkäufe in die Tat umzusetzen. Der starke Fokus auf das Thema Einrichtung wird bleiben, davon sind wir überzeugt.“
In einer gerade abgeschlossenen Umfrage rechnen inzwischen 42 Prozent der befragten Möbelhersteller damit, ohne Umsatzeinbußen durch das Jahr zu kommen. „Vor diesem Hintergrund heben wir unsere Prognose vorsichtig an und gehen nun für das Gesamtjahr nur noch von einem Umsatzminus von bis zu fünf Prozent aus. Noch Anfang Juli hatten wir mit einem Minus von bis zu 10 Prozent gerechnet“, so Kurth. „Zum Jahresende hin dürfte darüber hinaus die Mehrwertsteuersenkung für Vorzieheffekte beim Möbelkauf sorgen. Vor diesem Hintergrund plädieren wir für ein partnerschaftliches Miteinander innerhalb der Branche. So appelieren wir an die Kommunen, den vom Gesetzgeber zugelassenen Umfang an Sonntagsöffnungen im Möbelhandel auszuschöpfen. Verkaufsoffene Sonntage liegen im Interesse von Industrie und Handel und bieten eine gute Gelegenheit, den Verbrauchern das Thema Wohnen noch näher zu bringen. Gleichzeitig wird damit der Kundenandrang am Wochenende entzerrt.“
Mit dem Ausbruch des Corona-Virus und der daraufhin verordneten Schließung des Möbeleinzelhandels wirkte sich die epidemiologische Lage unmittelbar auf die Möbelkonjunktur aus. Die Umsätze der Möbelhersteller brachen aufgrund des fehlenden Auftragseingangs im April um 28,7 Prozent und im Mai um 23,3 Prozent ein. Nach der Wiedereröffnung der Möbelhäuser ging es schnell wieder aufwärts: Im Juni lagen die Umsätze der Möbelhersteller bereits um 2,2 Prozent über dem Wert des Vorjahrs. Die positive Entwicklung im Juni konnte den dramatischen Umsatzeinbruch im April und Mai nicht kompensieren – der Umsatzrückgang im zweiten Quartal 2020 betrug im Vergleich zum Vorjahresquartal 17,2 Prozent. In der Summe der ersten sechs Monate betrugen die Umsätze der Branche rund 8,1 Mrd. Euro – ein Minus von 9,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Auch im Auslandsgeschäft waren die negativen Auswirkungen der Corona-Krise zu spüren. Der Auslandsumsatz der deutschen Möbelindustrie sank im ersten Halbjahr um 13,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dagegen ging der Inlandsumsatz lediglich um 8,2 Prozent zurück. Das Exportgeschäft litt unter dem Nachfragerückgang infolge der Lockdown-Maßnahmen in verschiedenen Ländern, den internationalen Reiseeinschränkungen, den negativen Auswirkungen des Brexits und dem Handelskonflikt zwischen den USA und China.
Alle Segmente der deutschen Möbelindustrie entwickelten sich von Januar bis Juni 2020 nach Angaben der amtlichen Statistik negativ. Dennoch gibt es erhebliche Differenzen zwischen den einzelnen Segmenten. Die Küchenmöbelhersteller verzeichneten einen leichten Umsatzrückgang um 2,3 Prozent auf rund 2,5 Mrd. Euro und entwickelten sich damit wesentlich besser als andere Segmente. Die Büromöbelindustrie wies mit einem Umsatz von rund 983 Mio. Euro ein deutlich negativeres Ergebnis aus (minus 10,9 Prozent). Die Hersteller von Laden- und sonstigen Objektmöbeln lagen um 10 Prozent unter dem Vorjahreswert und erzielten einen Umsatz von rund 831 Mio. Euro. Einen überdurchschnittlichen Rückgang registrierten die Hersteller von Polstermöbeln, deren Umsätze von Januar bis Juni 2020 um 11,2 Prozent auf rund 420 Mio. Euro zurückgingen. Auch die Umsatzentwicklung beim größten Segment der Möbelindustrie – den sonstigen Möbeln und Möbelteilen – fiel mit minus 14,3 Prozent auf 3 Mrd. Euro negativer aus als im Branchendurchschnitt. Das kleinste Segment der Branche – die Matratzenindustrie – wies ein Umsatzminus in Höhe von 11,8 Prozent auf rund 350 Mio. € aus. Im Juni verbesserte sich die Lage in allen Segmenten wieder deutlich.
„Die aktuelle Auftragslage stimmt uns zuversichtlich“, so Kurth. „Nach internen Erhebungen der Fachverbände stiegen die Auftragseingänge in der deutschen Wohnmöbelindustrie in den ersten sieben Monaten um 4,5 Prozent und in der Küchenmöbelindustrie um 4,8 Prozent. In der Polstermöbelindustrie wurde dagegen ein leichter Rückgang um 4,1 Prozent registriert. Die im Vergleich zur amtlichen Statistik deutlich positiveren Ergebnisse sind vor allem auf den guten, um einen zweistelligen Prozentsatz verbesserten Auftragseingang im Juli zurückzuführen, welcher sich erst in den kommenden Monaten in den positiven Umsätzen niederschlagen dürfte. Ein weiterer Grund ist die Einbeziehung der ausländischen Produktionsstätten deutscher Hersteller sowie der deutschen Vertriebsgesellschaften ausländischer Hersteller, die von der amtlichen Statistik nicht erfasst werden.“
In den aktuell 469 Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten (minus 1,6 Prozent) arbeiten 83.051 Frauen und Männer und damit liegen wir nur leicht (minus 1,9 Prozent) unter dem Niveau des Vorjahres. Somit hat die Corona-Krise in der Möbelindustrie im Unterschied zu vielen anderen Branchen bislang nicht zu einem signifikanten Personalabbau geführt.
Die deutschen Möbelexporte sanken im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 11,9 Prozent auf 3,3 Mrd. Euro. In den meisten Ländern ging der Absatz deutlich zurück, wenngleich es auch hier wichtige Ausnahmen gab. Besonders erfreulich ist die Steigerung der Ausfuhren die Schweiz als mittlerweile wichtigsten Exportmarkt der deutschen Möbelindustrie mit einem Plus von 4,6 Prozent. Frankreich belegt aktuell Platz zwei im Ranking der wichtigsten Exportmärkte mit einem signifikanten Minus von 18,2 Prozent, gefolgt von Österreich mit minus 15,9 Prozent und den Niederlanden mit minus 5,2 Prozent. Eine Ausnahme bildete der finnische Markt mit plus 4,8 Prozent.
Auch die negativen Auswirkungen des Ende Januar 2020 erfolgten Brexits bekam die Möbelindustrie bereits in den vergangenen Jahren deutlich zu spüren. Allein zwischen den Jahren 2016 und 2019 reduzierten sich die deutschen Möbelausfuhren nach Großbritannien um rund elf Prozent. Diese negative Tendenz wurde durch die Auswirkungen der Pandemie auf die britische Wirtschaft zusätzlich verstärkt. In der Folge brach der Absatz deutscher Möbel im Vereinigten Königreich von Januar bis Juni 2020 im Vorjahresvergleich um 19,4 Prozent ein. Eine fundamentale Besserung der Lage ist angesichts des nach wie vor fehlenden politischen Konsenses über die zukünftige Ausgestaltung der Handelsbeziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich nach wie vor nicht in Sicht.
Die deutschen Möbelexporte nach China kletterten im ersten Halbjahr 2020 um 1,9 Prozent. Während der Rückgang in Russland mit minus 9,4 Prozent verhalten ausfiel, wurde der US-amerikanische Möbelmarkt angesichts der dramatischen Auswirkungen der Pandemie auf die US-Wirtschaft noch stärker in Mitleidenschaft gezogen. Die deutschen Möbelexporte in die USA gingen um 10,3 Prozent zurück. Südkorea entwickelte sich vor dem Hintergrund der Pandemie zwar ausgesprochen positiv (plus 11,6 Prozent), allerdings bewegen sich die Ausfuhren in dieses aufstrebende asiatische Land noch auf einem relativ niedrigen Niveau.
Die Industrieexportquote – dies ist der Anteil der von den heimischen Möbelherstellern direkt ins Ausland gelieferten Ware am Gesamtumsatz der Branche – lag im ersten Halbjahr 2020 der Exporte bei 31,2 Prozent und damit deutlich unter dem Niveau des Vorjahres. Im ersten Halbjahr 2019 lag der entsprechende Wert noch bei 32,4 Prozent (Gesamtjahr 2019: 32,7 Prozent). Dies ist der erste signifikante Rückgang der Exportquote seit Jahren, denn zwischen den Jahren 2000 und 2019 konnte diese mehr als verdoppelt werden.
Nachdem die deutschen Möbelimporte im Gesamtjahr 2019 noch leicht gestiegen waren, sanken sie von Januar bis Juni 2020 um 8,4 Prozent auf 3,9 Mrd. Euro. Überdurchschnittlich stark stiegen die Einfuhren aus Vietnam (plus 11,5 Prozent), Rumänien (plus 15,1 Prozent), Indonesien (plus 7,3 Prozent) und Belarus (plus 33,2 Prozent). Polen verlor dagegen 12,6 Prozent, blieb jedoch das mit Abstand wichtigste Möbelherkunftsland. Mehr als jedes vierte nach Deutschland importierte Möbel (29,7%) stammt aus dem östlichen Nachbarland. Die Importe aus dem zweitwichtigsten Importland China gingen um 1,9 Prozent, die Importe aus dem drittplatzierten Italien um 16,5 Prozent zurück. Allein auf die beiden wichtigsten Lieferländer Polen und China und Tschechien entfallen aktuell 56 Prozent der gesamten deutschen Möbelimporte.
Das Außenhandelsdefizit stieg im bisherigen Jahresverlauf um 19,6 Prozent auf rund 0,6 Mrd. Euro. Gleichzeitig konnte die Position deutscher Hersteller im Inland gestärkt werden – einem Rückgang des Inlandsumsatzes um 8,2 Prozent stand im ersten Halbjahr ein Rückgang der Importe von 8,4 Prozent gegenüber.
„Die Vorzeichen für die weitere Entwicklung der Branche im zweiten Halbjahr bewerten wir als stabil“, beton Jan Kurth. „Insbesondere die Möbelnachfrage im Inland zeigt sich robust. Der gute Auftragseingang ab Mai stimmt optimistisch und dürfte zu steigenden Umsätzen im dritten Quartal führen. Für das vierte Quartal ist aufgrund der hohen Vorjahreswerte mit keinen größeren Steigerungen zu rechnen. Auch die Verbraucherstimmung in Deutschland hellt sich zunehmend auf. Die deutschen Konsumenten lassen den Corona-Schock nach Ergebnissen der jüngsten GfK-Konsumklimastudie vom Juli zunehmend hinter sich. Sowohl die Anschaffungsneigung als auch die Einkommenserwartung steigen deutlich, während sich die Konjunkturerwartung mit geringen Zuwächsen im positiven Bereich stabilisiert. Die Konjunkturprognosen für das laufende Jahr wurden von den führenden Wirtschaftsforschern zuletzt wieder leicht nach oben revidiert. Gleichzeitig bleiben die Wachstumsimpulse aus dem Ausland angesichts der je nach Land unterschiedlich schweren wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und der nach wie vor schwelenden Handelskonflikte bislang verhalten.“
Im Zuge der Corona-Krise hat der Möbel-Onlinehandel weiter an Fahrt aufgenommen. In den internen Verbandsumfragen berichteten zeitweise rund 40 Prozent der Unternehmen von einer Belebung ihres Onlinegeschäfts. Nach Angaben des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) erhöhte sich der Onlineumsatz in der Produktkategorie Möbel, Lampen und Dekoration im zweiten Quartal 2020 um 13,8 Prozent.
„Beim Blick auf die nächsten Monate gibt es zwar noch viele Unwägbarkeiten hinsichtlich des Verlaufs der Pandemie. Doch wir sind optimistisch, dass das Vorkrisenniveau unter Vorbehalt einer stabilen epidemiologischen Entwicklung im Jahr 2021 wieder erreicht werden kann“ so Kurth abschließend.